In den letzten Jahren nahm die Bedeutung eines flexiblen Supply Chain Managements (SCM) bedingt durch instabile Transportkapazitäten, unsichere Rechts- und Wirtschaftslagen, sowie volatile Nachfragen zu. Auch die aktuelle COVID-19 Krise verdeutlicht die Notwendigkeit, auf verändernde Bedingungen reagieren zu können und Abhängigkeiten zu reduzieren.
Im Rahmen einer Langzeitstudie von Innosuisse wurde in Zusammenarbeit mit der Zellweger Management Consulting AG und fünf weiteren Praxispartnern ein Supply Chain Management 4.0 Leitfaden entwickelt. Dabei wird der Ansatz des System Engineerings auf Charakteristika von Industrie 4.0 Technologien spezifiziert, um Unternehmen bei der Durchführung ihrer SCM 4.0 Projekte zu unterstützen. Dafür wurden wissenschaftliche Methoden und anwendungsnahe Tools entwickelt, welche in drei Prozessphasen eingeteilt werden können:
(1) Zu Beginn des Projekts müssen potentielle Technologien gesammelt, systematisiert und selektioniert werden. (2) In einer nächsten Projektphase wird der konkrete Einsatz von Technologien bewertet. (3) Abschliessend unterstützt der SCM 4.0 Leitfaden die Unternehmen bei der Implementierung von Technologien.
Bei den entwickelten Tools und Methoden handelt es sich um sieben Werkezeuge, die Unternehmen in den unterschiedlichen Projektphasen nutzen können:
(1) Die Industrie 4.0-Technologiedatenbank beinhaltet über 180 Anwendungsbeispiele von anderen Unternehmen und dient der Suche von potenziellen Projektideen.
(2) 33 Technologieeinsatzszenarien sind in einem Katalog zusammengefasst, welcher als Arbeitstool genutzt werden kann – um Implikationen vorhandener Ideen abzuleiten – oder als standardisiertes (Workshop-)Konzept zur Generierung von innovativen Lösungen.
(3) Mit dem SCM 4.0 Quick Check kann anschliessend die Machbarkeit, das Erfolgspotenzial und der Reifegrad eines Projekts beurteilt werden. Das erleichtert einen Vergleich potenzieller Projekte in einer frühen Phase.
(4) Das IoT-Berechnungsmodell bildet durch die Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen den ROI von IoT-Projekten ab. Zusätzlich kann ein direkter Vergleich mit und ohne IoT-Anwendung gezogen werden, zur Einschätzung, ob sich eine Investition finanziell lohnen würde.
(5) Die SCM 4.0 Bewertungscheckliste basiert auf dem PESTEL Modell und liefert eine makroskopische Sichtweise, um Veränderungen im Unternehmensumfeld aufzuzeigen. Voraussetzungen und direkte Auswirkungen können beurteilt werden und Risiken, bzw. Chancen anhand fünf verschiedener Bereiche abgewogen werden.
(6) Durch das Aufzeigen aller möglichen Entscheidungsdimensionen unterstützt die Implementierungscheckliste die Transformation des Projekts. Die Eignung der Technologie wird anhand von Vor- und Nachteilen untersucht.
(7) Das Reifegradmonitoring-Tool hilft in den verschiedenen Projektphasen bei der Einordnung der Industrie 4.0 Maturity anhand von acht Grunddisziplinen. Die Unternehmen sollen sich im Tool selbst einordnen und gegenüber den Anforderungen des Projekts vergleichen.
Weitere Studienergebnisse aus Anwendungsfällen mit Praxispartnern haben gezeigt, dass die klassischen Problemlösungsschritte des System Engineering in der Praxis oftmals unbewusst und mit unterschiedlichem Fokus durchlaufen werden. Ausserdem hat sich gezeigt, dass die Vernachlässigung von frühen Phasen – insbesondere das genau Verständnis und die Ziele des Projekts – häufig für die Diskrepanz zwischen Erwartung und Lösung verantwortlich sind. Weitere Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Umsetzungen sind ein frühes Einbeziehen aller Stakeholder, ein möglichst frühes Monitoring und Testing, sowie ein IT-Support in frühen Phasen. Es gibt keinen One-size-fits-all Technologieauswahlprozess. Je nach Ausgangssituation, Problem und unternehmensspezifischen Faktoren sind verschiedene Methoden und Tools sinnvoll.
In einer nächsten Phase wird ein kreatives Arbeitsbuch zum erweiterten System Engineering Ansatz für Digitalisierungsprojekte erarbeitet und voraussichtlich im Frühjahr 2021 veröffentlicht.
Anbei finden Sie den Link zur Projektübersicht auf Alexandria.