Mit Blick auf die Fremdvergabe von Transport- und Logistikdienstleistungen stehen Industrie- und Handelsunternehmen (hier: Kunden) sowie die von diesen beauftragten Logistikdienstleister grundsätzlich vor der Aufgabe, geeignete Vergütungssysteme für ihre Geschäftsbeziehungen zu vereinbaren. Vergütungssystemen kommt dabei eine wesentliche Bedeutung mit Blick auf die Stabilität von Geschäftsbeziehungen zu: Vergütungssysteme bestimmen nicht nur die Logistikkosten aus Kunden- und die Erlöse aus Dienstleistersicht, sondern haben auch wesentliche Implikationen für Anreizorientierung und Risikoverteilung.
Ausgehend von der übergeordneten Frage, wie situativ geeignete Vergütungssysteme zur Stabilisierung von Geschäftsbeziehungen unter Berücksichtigung spezifischer Einflussgrößen ausgestaltet sein sollten, verfolgt die vorliegende Studie das Ziel, praxistaugliche Gestaltungsempfehlungen sowohl für Kunden als auch für Logistikdienstleister abzuleiten. Im Rahmen eines fallstudienbasierten Forschungsdesigns werden unterschiedliche Vergütungssysteme in drei transport- und fünf lagerzentrierten Geschäftsbeziehungen systematisch und ausführlich untersucht.
Zentrale Studienergebnisse sind dabei zum einen die vier identifizierten projektspezifischen Einflussgrößen, die im Rahmen der empirischen Untersuchung hinsichtlich ihrer konkreten Implikationen für geeignete Vergütungssysteme betrachtet wurden, sowie zum anderen die in dem jeweiligen Kontext abgeleiteten Gestaltungsempfehlungen. Es hat sich herausgestellt, dass die beziehungsstabilisierende Wirkung von Vergütungssystemen davon abhängt, inwieweit das Ausmaß spezifischer Investitionen, Schwankungen der Leistungsinanspruchnahme durch Kunden sowie die Komplexität und der Standardisierungsgrad der fremdvergebenen Leistungen innerhalb der getroffenen Regelungen reflektiert werden. Ausgerichtet am Ziel stabiler Geschäftsbeziehungen konnten zunächst fünf Gestaltungsempfehlungen abgeleitet werden, die ausgehend von den projektspezifischen Einflussgrößen konkrete Regelungen innerhalb von Vergütungssystemen nahelegen:
(1) Sind dienstleisterseitig erhebliche kundenspezifische Investitionen zur Erbringung der fremdvergebenen Leistungen notwendig, sollten ein mengenunabhängiger Vergütungsbestandteil und eine entsprechend länger ausgelegte Vertragslaufzeit vereinbart werden.
(2) Für den Fall, dass die Leistungsinanspruchnahme durch den Kunden größeren Schwankungen unterliegt, sollte eine rein transaktionsorientierte Dienstleistervergütung um vorab definierte mengenabhängige Preisanpassungsmechanismen (z.B. Staffelpreisvereinbarungen) ergänzt werden.
(3) Ferner sollten schwankende Leistungsmengen auch im Zuge der Vereinbarung von Service-Level-Agreements und damit ggf. verbundenen Regelungen zu einem Bonus-Malus-System oder Pönalen berücksichtigt werden.
(4) Im Hinblick auf die Komplexität fremdvergebener Leistungen sollten detaillierte und differenzierte Leistungspreise für die unterschiedlich komplexen, aber wiederholt durchgeführten Arbeitsschritte vertraglich vereinbart werden.
(5) Lassen sich die fremdvergebenen Leistungen kaum oder gar nicht standardisieren, bietet sich eine transaktionsorientierte Dienstleistervergütung über festgelegte Stundensätze für den Ressourceneinsatz (Personal und Assets) an.
Unabhängig von projektspezifischen Einflussgrößen konnten darüber hinaus vier grundsätzlichere Gestaltungsempfehlungen für geeignete Vergütungssysteme herausgearbeitet werden:
(1) Demnach sollten Regelungen, die situativ vorzunehmende Preisanpassungen innerhalb der Vertragslaufzeit vorsehen, möglichst so definiert werden, dass der Rahmen und die konkrete Höhe der Preisanpassungen bereits zu Vertragsbeginn feststehen.
(2) Des Weiteren sollten gerade bei lagerzentrierten Geschäftsbeziehungen Regelungen zur Vergütung von Sonderleistungen, die zu Vertragsbeginn noch nicht bekannt und/oder definiert waren, getroffen werden.
(3) Im Rahmen der Studie hat sich darüber hinaus gezeigt, dass insbesondere bei der Kombination eines Service-Level-Agreements mit einem Bonus-Malus-System oder Pönalen geprüft werden sollte, ob die relevanten Daten im Tagesgeschäft mit vertretbarem Aufwand erfasst, eindeutig ausgewertet und die festgelegten Ziele auch tatsächlich durch einen Logistikdienstleister erreicht werden können.
(4) Weiterhin sollten Regelungen zu pauschalen Preisreduktionsvereinbarungen im Zuge von kundenseitig geforderten, kontinuierlichen Verbesserungsprozessen nur dann vereinbart werden, wenn ein Logistikdienstleister die Optimierungspotentiale bei realistischer Betrachtung auch tatsächlich ausschöpfen kann. In diesem Zusammenhang hat sich auch gezeigt, dass gemeinsam von Kunden und Logistikdienstleistern angestrebte Verbesserungen der Kosteneffizienz in Verbindung mit Regelungen zu einem „Gain-Share“ häufig zielführender sind.
Weitere Studienergebnisse beziehen sich auf fallstudienübergreifende Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Gestaltung von Vergütungssystemen: Über alle Fallstudien hinweg hat sich gezeigt, dass Vergütungssysteme zwar ein wesentlicher Baustein, aber nicht die alleinige Basis für stabile Geschäftsbeziehungen sind. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass die Gestaltung von Vergütungssystemen stark kundengetrieben ist. Fallübergreifend wurde ferner deutlich, dass transportzentrierte Geschäftsbeziehungen auf weitestgehend standardisierten, lagerzentrierte Geschäftsbeziehungen hingegen auf individuell ausgestalteten Vergütungssystemen basieren.
Anbei finden Sie die Vollversion der Studie als e-Book:
Aktuelle Vergütungssysteme_e-Book2020